Katalog zur Ausstellung im Kunstverein Freiburg im Marienbad 1998, Text: Karin Moos
Randlose Existenzen
von Karin Moos
Petra Kaltenmorgen ist eine klassisch arbeitende Fotografin. Sie bedient sich nicht aus dem Fundus der vielfältigen technischen Möglichkeiten der Fotografie, die von der Auflösung des Mediums in nebulöse Phänomene bis hin zur digitalen Bearbeitung reichen.
Ihr fotografisches Interesse gilt der schlichten Darstellung der Dinge. Nüchtern und klar, „pur“, ein neutraler Hintergrund mit einer knappen Umrandung. Ein Focus, der das Portraitierte klar ins Auge fasst, ohne es erbarmungslos auszuleuchten oder messerscharf zu dokumentieren.
Alltägliche Dinge gehören zu ihrem Repertoire, z. B. Stühle, ein Nudelsieb, eine Truhe, ein Einkaufswagen, eine Zuckerdose, deren Deckel nachlässig aufgelegt wurde. Sie werden von der Künstlerin in eine bestimmte Position gesetzt, die zusätzlich den objekthaften Charakter, das „Skulpturale“ der Fotografie unterstreicht. Jedes Ding hat seine eigene Perspektive und seine individuelle Größe, jedes Ding verweist nur auf sich selbst und beherrscht in seiner stillen Dominanz die ganze Bildfläche, so, als ob es von einem imaginären Innenraum an eine äußere Begrenzung stoßen würde. Ohne diese sprengen zu wollen, führen die abgebildeten Gegenstände eine randlose Existenz.
Einen langen künstlerischen Arbeitsprozess sieht man ihren Fotografien nicht an. So eindrücklich, so unmittelbar sind die einzelnen Motive platziert, direkt am Objektiv und ohne dramatische Inszenierung, als ob es sich um Schnappschüsse handeln würde, die in ihrer Ausschnitthaftigkeit die Dinge bis auf ihren Kern erfasst haben.
Trotz äußerster Reduzierung lässt Petra Kaltenmorgen ihre Fotografien nicht in ihrer Neutralität verharren. Gerade die eigentümliche Auswahl von Möbelstücken, Spielsachen und Fundstücken aller Art, denen die Aura des ge- und verbrauchten anhaftet, die Patina eines ehemaligen Lieblingsstücks, mit denen ganz unweigerlich Geschichten und Erinnerungen verbunden sind, ist als persönliche, intime Komponente entscheidend.
Nicht selten sind diese Motive in der Wohnung oder im Atelier der Künstlerin vorzufinden.
Erzählerisches und Dokumentarisches vermischen sich in ihren Fotografien, Dingmagie und Dinghaftigkeit überlagern sich und je nach Objekt gewinnt das eine über das andere die Oberhand.
Anders als bei dem Fotografen Christopher Muller, der ebenfalls eine Vorliebe für unspektakuläres Alltagsinventar besitzt und dieses zu narrativen Stilleben zu arrangieren versteht, besteht das einzelne Objekt in den Fotografien von Petra Kaltenmorgen für sich in seiner Eigenwertigkeit. Gerade die Konzentration auf das einzelne Objekt, das zu leise in seiner Aussage, aber in seinen an die Grenzen stoßenden Bildaufbau zu dominant ist, erzeugt das eigentümliche Gleichgewicht ihrer Fotografien.
Dieser spezifische, den Arbeiten innewohnende Gegensatz, der sich durch Motivwahl und Inszenierung, durch Zufallsästhetik und Kalkül ergibt, macht die unverkennbare Handschrift der Künstlerin aus.
Es ist ein schmaler Grat auf dem sich die Künstlerin konsequent bewegt und den sie nie verlässt.
Petra Kaltenmorgen präsentiert uns Fotografien, die ins Auge springen, Objekte, so greifbar nah und doch zur trivialen Ikone erstarrt.